Pferd vs. Mensch

 

Pferde sind die ultimativen Fluchtiere. Sie streben nach Sicherheit, welche sie in der Herde und bei ihren Leittieren finden, nach guten Futtergründen, nach Ruhe, Bequemlichkeit, Geselligkeit und Spaß.

Ferner haben sie eine feste Rangordnung in ihrer Herde, die sie äußerst penibel einhalten.

Wie Menschen auch haben Pferde verschiedene Charaktere. Wir finden das Alpha-Tier, das geborenes Leittier, bis hin zum Omega-Tier, der geborene Nachläufer. Hinzu kommt der individuell stark, oder weniger stark ausgeprägte Fluchtinstinkt. Dieser signalisiert dem Pferd bei Gefahr: „Lauf so schnell du kannst, solange du noch kannst.“

Damit ein Pferd Stress abbauen kann, muss es sich bewegen können. Wir Menschen hingegen, verkrampfen uns körperlich und mental in Extremsituationen und werden bewegungsunfähig.

Instinktiv verhält sich das Pferd in Stresssituationen gegenteilig zur Absicht des Menschen um zu ’überleben’.

Dieses gegenteilige Verhalten ist der Schlüsselpunkt.

 

Man darf ein Pferd nicht dafür bestrafen, wenn es sich verhält wie ein Pferd!

 

Der Mensch ist durch sein Äußeres, sein Verhalten, seine Fähigkeit abstrakt zu Denken, das ultimative Raubtier.

Daher fällt dem Menschen instinktiv der Umgang mit Hunden leichter. Etwa 90% aller Hundehalter sind in der Lage ihren Hund ohne Leine zu dominieren und zu kontrollieren. Der Prozentsatz der Reiter, die das mit ihrem Pferd können, ist dagegen verschwindend gering.

Manche Pferde legen keinen großen Wert auf menschliche Gesellschaft und verhalten sich scheu, ängstlich, widersetzlich und zum teil auch aggressiv und beruhigen sich erst wieder, nachdem man sie zu ihrer Herde zurückgeführt hat. So mancher Reiter hat es schon erlebt, dass ein braves Pferd mit einem Gemüt wie von Balu dem Bär, schlagartig zu Mr. Hyde mutierte.

 

Ich behaupte, dass nahezu 100% aller Probleme mit Pferden "hausgemacht" sind. Das heißt durch falsches Handeln und Wissensdefizite der Reiter entstehen.
Oft liegt es aber auch an nicht passender oder minderwertiger Ausrüstung z.B. dem Sattel.
Grundsätzlich gilt auch, dass von gesundheitlich eingeschränkten Pferden nur bedingt oder gar keine Leistung mehr gefordert werden darf. Doch es gibt Reiter, die von Pferden mit Nervenschnitten, Rücken- und Gelenkproblemen, Turnierleistungen verlangen. Einer physischen Überlastung kann bei längerer Dauer eine neue psychische Baustelle folgen. Diese sind meist die Auslöser für Bocken, Steigen und Durchgehen.

 

Können auch wir das Problem sein ?

Wie viel physische, mentale, emotionale Fitness und Talent muss der Mensch haben? Sofern er überhaupt etwas davon besitzt.

Angst, Nervosität, Unbeherrschheit, Wut, permanenter Zeitdruck, fehlendes Wissen, vom eigenen Ego und falschem Ehrgeiz zerfressen, sind Eigenschaften die man sehr häufig beobachten kann und gehen immer zu Lasten des Pferdes. Wir müssen an uns arbeiten um souveräner, mutiger, progressiver, durch mehr Wissen effektiver und körperlich fit zu werden. Wenn wir den Anspruch eines Leittieres erheben wollen, müssen wir mit Training und Ausbildung bei uns beginnen.

 

Die meisten Probleme aber entstehen, weil die Menschen die ’Regeln’ nicht kennen.

Regeln? Was für Regeln? Springen, Dressur, Western oder worüber reden wir hier? Es sind die ’Regeln der Dominanz’, nach denen Pferde ihre Rangordnung festlegen.

 

Der Mensch ist derjenige der lernen muss, nicht das Pferd. Er muss die Verhaltensmuster der Pferde lernen, um als sein Leittier akzeptiert zu werden. Das ist das Geheimnis.

Deshalb: „Spiele mit deinem Pferd und arbeite an dir selbst.“

Wenn es ihnen gelingt, geschieht alles Weitere wie von Geisterhand. Warum? Das Pferd macht es nicht weil sie es wollen, sondern weil das Pferd es für sie machen will.

 

Scharfe Gebisse und Hilfszügel sind für mich nur eine laue Entschuldigung für ’schlechte Hände’ und fehlendem Wissen. Reiten soll und muss Spaß machen, aber für beide Seiten.

 

Aber auch im "normalen" Horsemanship gibt es viele Reiter, Pferdebesitzer, Trainer und Reitlehrer, die mit ihren Pferden auf eine gute, faire Art und Weise umgehen und auch sehr erfolgreich sind.
Doch bitte bedenken Sie, dass die Reiter, Pferdebesitzer, Trainer und Reitlehrer, die bewundert werden und als Beispiel genommen werden, meist die sind, welche hauptberuflich in der Landes- Bundes- oder gar Weltspitze der einzelnen Reitweisen oder Disziplinen reiten, oder vertreten sind. Es sind die, welche kein (entschuldigen Sie den Ausdruck) "Pferd von der Stange" kaufen, weil sie in erster Linie auf ihren Geldbeutel achten müssen. Somit werden in diesen Klassen nur Pferde gekauft, trainiert und vorgestellt, die sich von ihrem Wesen und ihrem Talent dafür besonders eignen.
Das bedeutet aber nicht, dass alle anderen Pferde schlecht und nicht zu gebrauchen sind. Es bedeutet lediglich nur, dass jeder Reiter, gerade im Bereich des Freizeitreitens vermehrt lernen muss, das individuelle Talent seines Pferdes zu erkennen, zu fördern und mit etwaigen Defiziten und unerwünschten negativen Eigenschaften umzugehen.
Neben dem physischen Leistungsvermögen spielen die Ausprägungen der mentalen und emotionalen Anlagen, sowie das individuelle Talent eine wichtige Rolle. Entscheidend sind auch rasse- und zuchtbedingte Eigenschaften und meistens der Kontostand des jeweiligen Reiters.
Mit anderen Worten: es gibt Dinge, auf die sie keinen oder nur bedingten Einfluss haben. Aus einem Shire werden sie kein konkurrenzfähiges Pleasure-Horse machen und aus einem Shetty kein Springchampion. Ein Ferrari und ein Porsche haben von Hause aus Anlagen, die ein Polo nie bekommen wird. Also wird er mit denen niemals konkurrieren können. Aber auch einen Polo kann fachmännisch verbessert werden, dass er ein besseres Fahrverhalten bekommt als der Durchschnitt seiner Klasse.

 

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